Wird der Beschluss der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses umgesetzt, muss die Stadt Königstein das Erbbaurecht für ein Wohnhaus an der Straße „Am Kocherfels“ im Stadtteil Falkenstein zurückkaufen, anstatt das noch 33 Jahre mit einem Erbbaurecht belastete Grundstück für 444.550 Euro zu verkaufen. „Allein der Rückkauf bedeutet für den städtischen Haushalt Investitionen in Höhe von mehr als 420.000 Euro“, sagt Thomas Boller, der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Stadtparlament. „Dazu kommt ein weiterer, mittlerer sechsstelliger Betrag, um die veraltete und stark angegriffene Bausubstanz modernen Erfordernissen anzupassen.“ Die Königsteiner CDU rät daher dringend davon ab, das in den 1950er Jahren errichtete Haus samt Erbbaurecht zu erwerben.

„Dass die Stadt Königstein mit Gebäuden aus dieser Zeit nicht unbedingt die besten Erfahrungen gesammelt hat, zeigt sich am Haus der Begegnung“, verweist Boller auf das Großprojekt des vorvergangenen Jahrzehnts. Die Bausubstanz des gesamten Gebäudes hatte weit aufwendiger saniert werden müssen als vorgesehen. Die Kosten hatten sich nahezu verdoppelt. „Das dürfte sich jetzt im kleineren Maßstab wiederholen“, warnt er. Und mit der marktgerechten Modernisierung von Einfamilienhäusern hat die Stadt auch keinerlei Erfahrung.

Ein Blick zurück: In der Straße „Am Kocherfels“, seinerzeit Servitutsweg, sind kurz nach 1950 vier Wohnhäuser nach damaligem Standard gebaut worden. Davon sind inzwischen zwei abgerissen und durch neue Gebäude nach aktuellen energetischen Vorgaben ersetzt worden. Das dritte wurde vollständig saniert und modernen Erfordernissen angepasst. Dass auch das in der armen Zeit direkt nach dem Krieg sparsamst errichtete Haus mit der Nummer 1 keine hohe Qualität besitzt und ein erheblicher Investitionsbedarf besteht, weist ein den Stadtverordneten vorgelegtes Gutachten aus. Daraus ergibt sich, dass die vom Magistrat vorgeschlagene Absicht, die Liegenschaft zu veräußern, die mit Abstand wirtschaftlichste Variante für die Stadt ist. Trotzdem hat der Haupt- und Finanzausschuss mit den Stimmen von ALK, FDP und Grünen eine andere Entscheidung gefällt.

„Es verwundert, dass sich gerade die Königsteiner FDP für die Sanierung so vehement einsetzt“, sagt CDU-Stadtverbandsvorsitzende Annette Hogh. „Besonders, weil die FDP stets einen marktwirtschaftlichen Kurs verfolgt.“ Zudem gehörte die FDP nicht gerade zu den glühendsten Verfechtern der HdB-Renovierung. Nun setze sich ausgerechnet der damals heftigste Gegner der HdB-Sanierung für den Rückkauf eines Einfamilienhauses und dessen Vermietung ein, hob Hogh hervor. Dass die von Michael-Klaus Otto genannten 80.000 Euro für eine Renovierung bei weitem nicht ausreichen werden, dürfte selbst einem Laien in Baufragen klar sein, wenn er das Haus in Augenschein nimmt. Das Gebäude könne derzeit bestenfalls als Objekt für eine Wiederauflage der Sendung „Die Bauretter“ bei RTL II dienen, merkte Hogh an. Aktuell muss man für eine Wohnungsmodernisierung etwa 1.500 Euro je qm rechnen, also mehr als 200.000 Euro. Einen rechten Grund für eine solche Immobilienstrategie gibt es nicht. Denn dass das Haus mit einem Einstandspreis von fast 900.000 zuzüglich Renovierung nicht wirtschaftlich zu günstigen Preisen an eine Geringverdienerfamilie vermietet werden kann, ist ein einfaches Rechenexempel. Für die ALK war deshalb auch die mögliche Wertsteigerung der Immobilie der wohl ausschlaggebende Grund - also ein Erwerb aus Spekulationsgründen. Angesichts eines bilanzierten Immobilienportfolios der Stadt in Höhe von 65 Millionen Euro (ohne Tochtergesellschaften) scheint eine solche Spekulation aber wenig sinnvoll.

Dass sich FDP und Grüne ihrer Sache aber auch nicht sicher sind, zeigte sich während des Abstimmungsverfahrens. Beide Fraktionen waren nicht bereit, dem von der ALK vorgelegten Antrag auf Erwerb des Erbbaurechts beizutreten und unterstützten den Antrag lediglich bei der Abstimmung. „Noch mehr verwundert mich das Verhalten des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Juristen Michael-Klaus Otto“, sagt der Fraktionsvorsitzende und HFA-Mitglied Alexander Hees. Hätten doch die beiden Vertreter seiner Partei im Ortsbeirat der Verkaufsvorlage des Magistrats zugestimmt.

Auf die Frage hin, wie die ALK das Vorhaben finanzieren möchte, antwortete die Fraktion, der Betrag solle aus der allgemeinen Liquidität genommen werden. „Diese ist zwar vorhanden, doch es kann nicht sein, dass Steuergelder für vermeintliche Aufgaben verwendet werden, die Private besser erledigen können“, entgegnet Boller.

Eine weitere Merkwürdigkeit im Verhalten der ALK und der FDP fällt auf: Hatten die beiden Fraktionen im Sommer noch die Wertberechnungen der Verwaltung und des Bürgermeisters kritisiert und die kostenpflichtige Erstellung eines qualifizierten Gutachtens verlangt, interessiert sie dieses Gutachten heute gar nicht mehr. Das bestätigt nämlich die Kalkulationen der Verwaltung grundlegend.

Aufgrund der Annahme des ALK-Antrages kam der Antrag der CDU-Fraktion, stattdessen den Verkaufserlös in soziale Wohnbauprojekte zu investieren, nicht mehr zur Abstimmung. „Dort oder bei anderen Infrastrukturprojekten der Stadtwerke wäre der Betrag besser angelegt“, unterstreicht Boller und verweist auf die beiden essentiellen Vorhaben im Stadtteil: das Bürgerhaus und das alte Rathaus.

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